Aus gegebenem Anlass: Schälen, reiben, kochen -Thüringer Klöße selbst gemacht

Vor ein paar Woche hat mich ein Kamerateam der ARD durch Weimar und dann auch zu mir in die Küche begleitet. Wir haben Kartoffeln eingekauft, viel erzählt und gelacht und dann Thüringer Klöße zubereitet. Damit man mal sieht, dass die nicht nur aus der Tüte oder der Tiefkühltruhe kommen. Ich finde es gut, dass Viele die Tradition noch hochleben lassen. Zu Festtagen steht die Handarbeit immer noch auf dem Programm und irgendwie schmecken Sie ja auch viel besser. In der Sendung ARD Buffet kommt also heute der Beitrag darüber, welch aufwändige aber lohnenswerte Arbeit das manchmal ist, traditionelles Essen zuzubereiten. Als Ergänzung dazu hier nochmals meine Geschichte über Thüringer Klöße und wie das früher bei uns war. 

Hier als Service für Alle die nochmal in die Sendung reinschauen möchten der Link. Klöße gibt es etwa ab Minute 18.30 

Die Thüringer Klöße  hatten Sonntagskult. Nix anderes, immer mal mit einem anderen Stück vom Tier, gab es an dem schönsten aller Wochentage. "Ein Sonntag ohne Klöße verlöre die von seiner Größe" - kultiger Spruch in Thüringen, Verfasser unbekannt! Favorisierte Beilage meines Vaters "....mach mal ein Stück Rind und ein Stück Schwein, das gibt so ne schöne Soße...." 

Am Samstag Abend, noch während der großen Unterhaltungssendung von  Kuhlenkampf, durfte mein Papa in den Keller wandern und einen 10 Liter (!) Eimer voll von möglichst großen Kartoffeln holen. Dieser wurde vor dem Sessel meiner Mutter platziert, daneben ein Eimer halb voll Wasser und eine Schüssel auf den Knien und so ging schon mal das schälen los.
Waren die Kartoffeln geschält, gab es als schöne Tradition vorab ein Stück vom Sonntagskuchen der am Nachmittag entstanden war. Dann alle in die Federn und der Eimer voll geschälter Kartoffeln wartetet auf den Sonntag Morgen.

Der nächste Akteur im großen Reigen war mein Vater. Nach dem Frühstück wurde das  Reibeisen hervor geholt und in eine große Schüssel hinein gerieben. Nicht zu grob, nicht zu fein. Die Schüssel füllte sich mit einem feuchten Brei, der schnell dunkel zu werden begann. Jetzt kam die Masse in den Kartoffelsack, so ein gestricktes Ding. Damit zwischen die beiden Holzscheiben der Kartoffelpresse und das Rad wurde gedreht. Kartoffelschab und Flüssigkeit trennten sich. Im Sack blieb die rohe, jetzt trockene Kartoffelmasse und in der großen Schüssel sammelte sich die Flüssigkeit. Ab und an wurde nachgedreht. Nach etwa einer Stunde war das genug und von der Flüssigkeit setze sich die Kartoffelstärke ab. Dann wurde sie abgegossen und diente dem ausbürsten des schwarzen Anzugs oder des Kostüms.. Die Kartoffelstärke wurde zur Hälfte über die Kartoffelmasse gekrümelt und der Rest getrocknet.

Thürnger Klöße selbst gemacht

Beim Reiben der Kartoffeln waren immer kleine Stücke übrig geblieben und diese wurden in einem Topf mit wenig Salzwasser weich gekocht und dann zu Brei gerührt. Das sollte so gefühlt etwa ein Drittel der Menge an Kartoffeln sein. Die trockene Kartoffelmasse, also zwei Drittel, in einer Schüssel wurde gesalzen und mit dem entstandenen dünnen Kartoffelbrei überbrüht. Schnell und gut vermengt. Die Masse musste sich von den Wänden der Schüssel lösen, dann hatte sie die richtige Konsistenz. 
In einigen Fällen wurde die Masse vor dem überbrühen auch geschwefelt, damit die Klöße schön weiß wurden. Bei uns zu Hause nicht. Die Klöße waren so ein bisschen grau bis grün und daher kommt auch der Name `grüne Klöße` für die Thüringer.

Inzwischen kam ein wichtiger Teil der Aktion. Vorhandenes Brot (damals kein Weißbrot!) wurde in Würfel geschnitten und in Butter knusprig gebraten. Beim formen der Klöße mit der feuchten Hand kamen 5-6 der kleinen Würfel in die Mitte. Die Klöße wurden in kochendes Salzwasser gelegt und die Hitze sofort reduziert. Nach kurzer Zeit kamen sie nach oben und mussten insgesamt etwa 30 Minuten auf ganz kleiner Flamme ziehen, nicht kochen.

Also, das war schon eine echte Plaggerei und die so im Schweiße des Angesichts verdienten schmeckten immer. Das mit dem Fleisch dazu nicht immer mein Fall (siehe oben), aber das wichtigste war eine Unmenge Soße, die man damit aufnehmen konnte. Und die buttrigen Brotwürfel in der Mitte waren ein Höhepunkt.

Ja, also Kindheitserinnerungen........
Und damit verbunden das Originalrezept für Thüringer Klöße. Gerührt und nicht geschüttelt und gar nicht gewickelt, sondern mit den Händen geformt. Dann mal nachmachen, es lohnt sich. Kartoffelpressen gibt`s heute nur noch in wenigen Thüringer Haushalten. Wenn ich mal so Lust auf handmade Klöße habe, nehme ich statt der Reibe den Entsafter und habe Kartoffeln von der Flüssigkeit auch gleich getrennt. Geht auch.

Aber auf eins verzichte ich nie - die Würfel in der Mitte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es die "echten" sind ;) Und sie haben ja auch einen Sinn: So ein kompakter Kloß kann besser durchgaren, wenn in der Mitte ein Hohlraum ist!
Beliebt ist auch das Verwerten der übrig geblieben Klöße vom Sonntag. In Scheiben geschnitten, in Butter braun gebraten. Das mochte ich am liebsten mit Zucker bestreut und am zweitliebsten mit Sauerkaut.



Kommentare

Susanne hat gesagt…
Das erinnert mich sehr an die bayerischen Reiberknödel, auch wenn die Rezepte sich im Detail etwas unterscheiden. Es ist viel Arbeit, und es schmeckt wunderbar. Und: niemals ohne Croutons in der Mitte, die müssen sein. (Im Fränkischen gibt es eine Region, da werden die "Bröckala" gleich in den Knödelteig eingearbeitet, ein unvorstellbarer Frevel, oder?
Anonym hat gesagt…
Ich habe Dich heute im ARD Buffet beim Kloß zubereiten gesehen. Mein Herz hat gejubelt. Die Kartoffelpresse einschließlich Pressack und dann noch der selbst geschnitzte Quirl - Kindheitserinnerungen pur. Meine Großeltern zelebrierten die Kloßtradition mit dem Sonntagsbraten wenn wir kamen. Selbst wenn ich allein in den Winterferien bei ihnen war, es gab immer Braten und Klöße. Mit meinen Cousinen und Cousins durfte der Wettbewerb, wer schafft die meisten Klöße nicht fehlen. Häufig gab es Kaninchen oder wie die Großeltern sagten Hasenbraten. Der Hasenstall sorgte regelmäßig für Nachschub.
Ach ja, Gemüse oder Obst war nicht so einfach zu besorgen in diesen Zeiten. Darum gab es Braten und Klöße. Ich rieche heute noch den Duft der Vorratskammer. Oh dieser Duft nach Blechkuchen und im Winter der Weihnachtsstollen. Selbst die einfache Hefebrezel mit Muckefuck am Nachmittag war köstlich.
Danke, dass Du die Tradition weiter leben lässt.
Bärbel
ostwestwind hat gesagt…
Ich glaube, Frau muss mit Klößen aufgewachsen sein, um die zu schätzen zu wissen. Als norddeutsche Pflanze, sind auch die selbstgemachten zwar lecker, aber nicht zwingend erforderlich 😉
Obers trifft Sahne hat gesagt…
@Susanne Ja, die Fränkischen Klöße kenne ich als "Coburger". Das aber die Brösel eingearbeitet werden, dass habe ich noch nicht gesehen. Aber wie so oft, viele Wege führen zum Ziel. Viele Grüße aus Thüringen Petra
Obers trifft Sahne hat gesagt…
@Anonym: Danke das du Deine schöne Geschichte mit uns teilst. Was wir in der Kindheit gegessen haben, gehört ganz oft zu unseren Errungen dazu. Bestimmt hast du noch den Geruch vom Hefekuchen in der Nase. Viele Grüße aus Thüringen Petra
Obers trifft Sahne hat gesagt…
@ostwestwnd: Du hast recht, was man in er Kindheit erlebt hat führt man auch gerne fort. Aber manche Dinge sind auch Anreiz, sie einfach nochmal zu probieren bzw. zu versuchen, dass es wie damals zum Haus schmeckt. Liebe Grüße Petra