Wie im Märchenland: Streuobstwiesen in Deutschland
…..dann ging es weiter und kam zu einem Baum, der war voll mit Äpfeln und rief:
»Ach bitte, schüttel mich, schüttel mich! Meine Äpfel sind alle miteinander reif.«
Da schüttelte es den Baum, dass die Äpfel fielen, als regneten sie. Es schüttelte, bis keiner mehr oben war. Als es alle auf einem Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter.
Eine goldene Spule hatte ich nicht verloren und kam auch nicht durch den Brunnen. Aber wie die Goldmarie kann man sich dennoch fühlen, wenn man auf einer der großartigen Streuobstwiesen schwelgen kann, die es es in Deutschland gibt. Streuobstwiesen. Was ist das überhaupt. wo finde ich welche, darf ich da überhaupt pflücken ? Fragen über Fragen, die ich versuchen möchte für euch zu beantworten.
Was ist eine Streuobstwiese ?
Es ist nicht völlig klar, woher die Bezeichnung "Streuobstwiese" stammt. Die Bäume vermitteln den Eindruck, als ob sie zufällig über die Wiese "gestreut" seien. Auf diese unregelmäßige Anordnung und Zusammensetzung der Baumbestände bezieht sich der Name "Streuobstwiese". Eine andere Interpretation geht davon aus, dass auf den Wiesen Streu (Heu als Einstreu für die Tierhaltung) und Obst gewonnen wurde und das der Name daher kommt.
"Streuobstwiesen sind Anpflanzungen hochstämmiger und großkroniger Obstbäume, mit Obstsorten verschiedenster Art, auf Äckern oder Wiesen in Reihen oder Gruppen. Meist stehen die Bäume locker über die Fläche verstreut. Pflanzenschutzmittel und Dünger kommen nicht zum Einsatz. Das Gegenteil davon sind die intensiv gespritzten und gedüngten, meist eingezäunten Obstplantagen mit niedrigen, buschartigen Bäumchen."
(nach: Bund Naturschutz in Bayern e.V.: Rettet die Streuobstbestände! - Paradiese in Menschenhand)
Streuobstwiesen stellen eine ideale Mischung von Wiesen- und Obstnutzung dar. Besonders alte Bäume bieten Höhlenbrütern natürliche Lebensräume. Ausgezeichnet sind diese Wiesen aufgrund ihrer Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren. Die auf Wiesen oder Äckern verstreuten Obstbäume galten früher als Versorgungsquelle und wurden demnach auch bewirtschaftet und gepflegt. Durch die rentableren, moderneren Produktionsverfahren und den erhöhten Anspruch an die Apfelqualität, verloren diese Obstplantagen immer mehr an Bedeutung. Durch die 1974 eingeführten, staatlich prämierten Großflächenrodungen, ging der Bestand dieser traditionellen Kulturlandschaften drastisch zurück.
In den meisten Fällen wurden die noch vorhandenen Streuobstwiesen bereits unter Schutz gestellt und in Thüringen existiert ein gesondertes Programm zum Schutz dieser Kleinode, wie auch in Sachsen und Bayern. Um das Biotop Streuobstwiese zu erhalten, ist es wichtig, daß es gepflegt wird. Allerdings wird Todholz nur entfernt wenn es eine Gefahr bedeutet, aber neue Bäume werden als Ersatz nachgepflanzt.
Ein sehr interessantes Beispiel einer Slowfood Gruppe aus Oldenburg zeigt die Bemühungen, eine Streuobstwiese neu anzulegen. Daran kann man ablesen wie lange es dauert, ein solches Kleinod in der Landschaft zu platzieren.
Wo , wie und wie viel darf ich auf einer Streuobstwiese pflücken ?
Wer auf seinen Spaziergängen Früchte pflücken will, muss aufpassen. Zwar gibt es das Delikt „Mundraub“ seit 1975 nicht mehr - dennoch ist es verboten Obst zu ernten, welches an Pflanzen wächst, die landwirtschaftlich oder gärtnerisch angebaut sind, sprich in Privateigentum. Heutzutage fällt dies unter Diebstahl. Das Betreten den Anlagen fällt unter Hausfriedensbruch. Allerdings kann man davon ausgehen, dass solcherart Anlagen eingezäunt oder ausreichend gekennzeichnet sind. Will man also auf einer Streuobstwiese pflücken, sollte man sich vorher kundig machen wer sie bewirtschaftet.
Früchte von wilden Pflanzen ( das zählt übrigens auch bei Pilzen ) oder Obst von wilden Bäumen, darf man in kleinen Mengen und für den persönlichen Gebrauch sammeln. Das pflücken für gewerbliche Nutzung bedarf einer vorherigen Genehmigung. Für den Pflaumenkuchen und das Apfelmus darf man zugreifen so oft man möchte.
(§ 39 Abs. 3 BNatSchG): Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.
Eine der wichtigsten Regeln sollte sein, Rücksicht auf die Natur zu nehmen und das Obst so zu pflücken, dass auch im nächsten Jahr noch eine reiche Ernte möglich ist. Leider sieht man sehr oft, dass dünne Äste abgebrochen und ganze dicke Äste abgesägt werden. Da kann man nur den Kopf schütteln und an die Vernunft der Menschen appellieren.
Wo finde ich „öffentliche“ Streuobstwiesen ?
Trotz der Vorzüge einer Streuobstwiese ist die Fläche der Streuobstbestände in Deutschland seit 1950 auf etwa ein Viertel im Vergleich zur "Blütezeit" der Obstwiesen zurückgegangen. Grund dafür ist eine Agrarpolitik, die nicht auf Geschmack und ökologisch verträgliche Anbauweise, sondern auf Form, Farbe und Größe zum Maßstab für Handelsklassen - und damit Verkaufspreise - setzt. Um unter dem Preisdruck von Importobst und seinen Produkten bestehen zu können, haben die Landwirte in Deutschland nach und nach auf ertragreiche, maschinengerechte Niederstammplantagen umgestellt. Die Produkte des Streuobstanbaus können damit preislich nicht mehr konkurrieren, werden deshalb nicht mehr nachgefragt und in der Folge nach und nach vom Markt gedrängt. Die Einfuhr von Fruchtsaftkonzentraten aus Ländern mit wesentlich niedrigeren Lohnkosten als in Deutschland, hat den Rückzug der Streuobstbestände noch beschleunigt. Für mich eine gruselige Nachricht ist die, dass Obst für in Deutschland hergestellte Marmelade inzwischen auch aus China kommen kann.
Doch die noch bestehenden Streuobstwiesen, oft in Trägerschaft des jeweiligen Landes, sind Pfunde mit denen wir wuchern können. Mehr Bio geht nicht ! Ohne jeglichen Einsatz von Pestiziden oder Düngung, oft fernab der Straßen, finden wir hier Obst in Hülle und Fülle. Sehr oft alte, wohlschmeckende Sorten, vielleicht mit kleinen Schönheitsfehlern, aber sehr schmackhaft.
In manchen Ländern kann man im Internet eine Karte der Bestände abfragen. Gibt es dies nicht, sollte man offenen Auges durch die Landschaft gehen und wird sicher an den Rändern der Dörfer fündig, wenn nicht schon ein „Neubaugebiet“ dort steht. Früher waren sie der Gürtel um die Orte, der auch für guter Luft sorgen sollte. Listen mit Möglichkeiten findet man unter anderem auch auf der Seite Mundraub.org
Warum sollte ich Obst auf einer Streuobstweise pflücken ?
Vergleichen wir doch einfach mit dem im Laden angebotenen Obst: Meist ist es viele Kilometer in Lastwagen durch Europa gefahren oder sogar um die Welt geflogen. Es wächst in der Regel in Monokulturen auf, die oftmals mit Schädlingsbekämpfungsmitteln belastet sind.
Bei den fast 70 kg Obst, die pro Kopf pro Jahr in Deutschland gegessen werden, ist die Obstversorgung vor der Haustür eine gute Alternative. Streuobstwiesen sind nahezu vollkommen pestizid- und mineraldüngerfrei. Zudem können auf ihnen viele Arten von Käfern, Wespen,Vögeln und anderen Lebewesen geschützt leben.
Mein Spaziergang über eine herrliche große Streuobstwiese in der Nähe von Weimar war schmackhaft, sehr interessant im Bezug auf Kleintiere und Pflanzen. Das ist es gekrabbelt und ist geflogen, hat gesungen und gebrummt. Ganz viele Wildkräuter waren zu sehen, bis zum wilden Beifuß. Und es war erholsam und sogar einsam. Diese Wiese befindet sich in einem Landschaftsschutzgebiet.
Herrliche Luft und am Ende netter Kontakt mit Gleichgesinnten. Da wird es wohl ein großes Blech Zwetschgenkuchen geben…. traumhaft !
P.S. Die Erkenntnisse zu Recht und Gesetz und zu der Geschichte der Streuobstwiesen habe ich so, oder in ähnlichem Wortlaut auf einschlägigen Seiten im Internet gesammelt.
Kommentare
Die Streuobstwiese entstand unter anderem um eine Doppelnutzung zu haben. also 2 Ebenen, das Gras und die Früchte in der Baumkrone. Ausschlagebend war das Verbot den Wald zu nutzen. Zum Beispiel wurden im Wald die Laubzweige gesammelt und auf Ständern als Viehfutter getrocknet (daher der Begriff. Laube!). Der Wald, den wir heute kennenn ist erst rund 150 Jahre alt. Davor wurde der Wald gemeinfrei genutzt und entsprechend dürr sah es in der Landschaft aus. Typisches Relikt aus der Zeit sind die Wacholderweiden. Den Wald wir ihn heute kennen, ist ein gewaltiges Aufforstungsprogramm im 19. Jahthundert gewesen. Der Schönbuch (bei "Ritter Sport") besteht erst seit 200 Jahren in der heutigen Form. Der Schwarzwald gerademal 175 Jahre.
Der Wald war plötzlich gesperrt für das Viehfutter, natürlich war auch der Wille der Jagd im Hintergrund. So verlegte man die Viehfuttergewinnung auf weniger ertragreich, bestehende Äcker. Im Querschnitt durch eine Streuobstwiese sieht man noch die Welle früherer Ackerbewirtschaftung. Sinn der Welle war. sowohl bei feuchtem als auch bei zu trockenem Wetter wenigstens einen Teil ernten zu können. Andere Gebiete des Deutschen Reichs folgten dem Verbot. In der Gründerzeit waren Sammenhändler für Waldbäume unter den reichsten Bürgern gelistet.
Der Beginn der Streuobstwiese kann in Württemberg auf die Zeit Schillers taxiert werden. Schillers Vater war einer der ersten, die einen Katalog über die verschieden Obstsorten erstellte und auch praktischen Unterricht erteilte. Forciert wurde der Doppelnutzen durch die Schlechtwetterperiode wegen der Vulkanausbrüche in Island (1783 -> französische Revolutiom) und ein paar Jahre später (um 1812), ebenfalls ein Vulkan in Indonesien. Die Gründung des Landwirtschaftlchen Hauzptfestes (Cannstatter Wasen) oder die Wiesn waren Maßnahmen. Der Krakakau (um 1880) beflügelte die Gründung der Obst- und Gartenvereine. Bekannt ist die Champagnerbirne für einen guten Most. Most war eine Haltbarkeitsform, wie ebenso die Trockenfrüchte. Der Stuttgarter Nordbahnhof war vor dem Ersten Weltkrieg einer der größten Umschlagplätze für Trockenobst. Von hier ging alles, was im damals üblichen BacKhaus mit der Restwärme in der Darre trocknete, in alle Welt. Ein Doppelzenter frischer Äpfel hatte damala den Gegenwert von rund 70 Euro. Heute wären 8 bis 12 Euro schon viel.Kostendeckend wären 25 Euro der Doppelzentner.
Grüßles