Der Mann mit dem die Pflanzen sprechen: Auf Kräuterwanderung mit Jean-Marie Dumaine

Ein Blick in die Zeitung am Donnerstag Nachmittag und mein Plan für den Freitag stand fest. Das Forsthaus Willrode, unweit von Erfurt, hat zu einem Kräuterwochenende geladen. Das ich dieses nicht über den ganzen Zeitraum auskosten konnte, lag an der lange schon verplanten Zeit. Aber den Freitag Nachmittag hatte ich zur Verfügung und da ich ziemlich spontan bin, meldete ich mich zur Kräuterwanderung mit keinem geringeren als Jean-Marie Dumaine an. Dank einer größeren Fangemeinde, aus dem Freundeskreis der Unterstützer des Forsthauses, war sein Auftritt dort möglich.

Forsthaus Willsrode

Dumaine wurde1954 in der Normandie geboren, arbeitete nach seiner Ausbildung zum Koch zunächst in verschiedenen Regionen Frankreichs und kam dann nach Deutschland um neue Erfahrungen zu sammeln.
Jean-Marie und seiner Frau Colette gefiel es am Rhein und an der Ahr so gut, dass sie beschlossen in Sinzig ein eigenes Restaurant zu eröffnen. 1979 öffnet das VIEUX SINZIG seine Tore. Damit fanden beide eine neue Heimat und schufen eine kulinarische Attraktion der Region, die längst weit über das schöne Aartal hinaus bekannt ist. 

In den 1980-er Jahren war er der Pionier der Wildkräuter sammelte und sie seinen Gästen  im wahrsten Sinn des Wortes schmackhaft machte. " Sein Wissen um die Kräuter macht ihn zu einer wandelnde Enzyklopädie der kulinarischen Botanik. Ein Wissen, das auch die Speisekarte seines Restaurants in einer wohligen Wildkräuterspannung hält. " (Quelle: Internetseite des Vieux Sinzig)
Drei wunderbare Kochbücher zum Thema Wildkräuterküche liegen bislang von ihm vor und seine Sammelleidenschaft hat sich inzwischen erweitert auf den Deutschen Trüffel.


Beginnen wir unsere Wanderung, die den Namen nicht wirklich verdient hatte, in Willrode. Sagen wir besser, es war ein gemächlicher Spaziergang rund um das Forsthaus, mit langen Pausen in denen unser Wissensdurst zu den gefundenen Pflanzen gestillt wurde. Dumaine vermittelte charmant und fröhlich plaudernd, Bekanntes und viele neue Details zu folgenden Pflanzen:


Forsthaus Willroda


Huflattich: Blüten konservieren in Essig oder Öl und mit den später sprießenden Blättern zusammen bringen, z.B. zu Bohnen. Als Unterlage zum Brot und kleinen Brötchen. Sirup gegen Husten. Blattstiele geschält und fein geschnitten als Pfannengemüse

Gundermann: Blanchieren, schneiden und zu je gleichen Teilen mit warmer Sahne und Ei zu einem Eierstich verarbeiten, als Suppeneinlage. Kleine Blätter roh in den Salat. Mit Gundermann wird auch Bier gebraut.

Brennessel: 10 mal so starke Grünfärbung als mit Spinat, Energiebündel, Sehr gut zu Kohlrabi, Erbsen und erdigem Gemüse wie Rote Bete. Wunderbar Blätter als Chips frittiert. Blütenstände geröstet mit anderen Samen, z.B. von der Möhre und etwas Kurkuma zu Curry verarbeiten. Aus dem Wasser, in dem große Mengen an Brennnessel blanchiert wurden, entsteht bei Dumaine am Ende mit anderen Zutaten ein dunkelbraunes Karamell.

Giersch: Mit das beste Wildkraut. 

Bärenklau: Grüne Samen verwendbar, Herstellung von Sorbet ! Bärenklau ist Phototoxisch, d.h. Reaktionen auf den Pflanzensaft ergeben sich in Verbindung mit der Sonne. Stiele sind hohl und man kann sie als Trinkhalme verwenden.

Klette: Wurzeln schälen und verarbeiten wie Artischocke. Mariniert in dünnen Scheiben roh oder gebraten in Olivenöl

Wicke: Schmeckt wie die Erbse und passt auch dazu

Spitzwegerich: Blütenknospen in der Pfanne dünsten sind eine Delikatesse. Blätter zu Sirup verarbeiten gegen Husten (Erdsirup 3 Monate im Erdreich eingraben) Spitzwegerich hat einen sehr hohen Eiweißgehält und daraus lässt sich nach Blanchieren und  pürieren mit Zitrone und etwas Zucker ein grüner Schaum herstellen., als ergänzende Textur.

Wir haben über eine Menge Wildkräuter und deren Verwendung in der Küche gesprochen, auch über solche, die vor Ort nicht zu finden waren. Über die Verarbeitung von Tannenspitzen, von Waldmeister und vielen anderen Kräutlein und Fundstücken der Natur. Auch der Erfahrungsschatz der Teilnehmer hat die Exkursion abgerundet.

Auf der Seite des Restaurants beschreibt man die Arbeit von Dumaine als "Wildkräuter - Philosophie..
Natur ist das kulinarische Thema von Jean-Marie Dumaine. Der Spitzenkoch aus Frankreich praktiziert eine hoch aromatische Naturküche, die auf selbst gesammelten Wildkräutern und erstklassigen regionalen Produkten basiert. Sein Restaurant VIEUX SINZIG ist für Gourmets eine kulinarische Pilgerstätte.

Jean-Marie Dumaine

Kräuter symbolisieren die Philosophie von Jean-Marie Dumaine. Der Sohn eines normannischen Bauern kam als junger Koch an den Rhein. In der neuen Wahlheimat entdeckte er seine Liebe zur Botanik. Das milde Weinbauklima, die fruchtbare goldene Meile, die geschützten Flusstäler und die vulkanischen Böden der Eifel haben eine außergewöhnlich artenreiche Pflanzenwelt hervorgebracht. Die Essenz dieser Landschaft bringt Dumaine in seiner Küche unnachahmlich zum Ausdruck. Sie erleben es auf ihren Tellern, sie können es bei einem Besuch in seinem Restaurant Vieux-Sinzig riechen und schmecken. Die Aromen, Düfte und Produkte: hier wird das Terroir zu einem vielschichtigen Genuss veredelt." (Quelle:Internetseite Vieux Sinzig)

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Die geplanten zwei Stunden vergingen viel zu schnell und ich war ein bisschen traurig, dass ich nicht zum anschließenden Wildkräuterkochkurs bleiben konnte. Eine kleine Entschädigung gab es mit Kostproben aus Dumaines Delikatessen Repertoire, mit denen auch online gehandelt wird. Alles äußerst schmackhaft und ein Glas Rillette von Freilandgänsen fand den Weg in meinen Korb und sicher nächste Woche auf unseren Tisch. Darauf freue ich mich schon sehr. Einen seiner jedes Jahr hergestellten Stollen, mit Wildkräuterzutaten und Dinkelmehl werde ich mir sicher bestellen, oder besser noch, ich hole ihn mir dort ab ;)


Jean-Marie Dumaine

Und was das Forsthaus Willrode noch so an Überraschungen bereit hält, neben dem heute von mir schon einmal kurz besuchten Laden für Wildfleisch Produkte, was für Veranstaltungen es dort gibt und warum es kein "normales" Forsthaus ist, darüber werde ich mich in der nächsten Woche mit der Erfurter Revierförsterin Uta Krispin unterhalten, die dort das Zepter schwingt.



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