Nicht einfach nur Brot: Die Brotklappe in Weimar

Brot ist unser wichtigstes Nahrungsmittel. Und das Heiligste. 


Brotklappe Weimar

Die Brotklappe in Weimar, Trierer Straße 46, ist ein neuer Stern am Weimarer Brothimmel. Sebastian Lück ist nicht der verträumte Aussteiger, den man hinter einem solchen Projekt vermuten möchte. Nach einigen gelungenen Projekten in anderen Branchen, hat sich der gelernte Kaufmann vor einigen Jahren aufgemacht, gutes Brot zu retten. Mit seiner Frau Annika hat er nach 5 Jahren Lernen und Experimentieren in Erfurt die erste Brotklappe eröffnet, der jetzt in Weimar der zweite Laden folgt. Da haben wir Glück !


Inhaber der Brotklappe Sebastian Lück 

Ehefrau Annika und die Mitstreiterin in der Brotklappe, Anne Marx

Geöffnet ist Freitag bis Montag, von 15.00 bis 20.00 Uhr. Am Nachmittag gibt es Stullen und sehr verführerischen Kuchen und 17.00 Uhr sind die Brote abholbereit, die man vorzugsweise vorbestellt hat. Auf die Frage, warum nur an drei Tagen geöffnet ist, antwortet Sebastian Lücke wie erwartet : "Gute Produkte brauchen Zeit, im Besonderen unser Brot. Die Ruhezeiten brauchen wir um die Produktion vorzubereiten. Eine Stückweise Erweiterung der  Öffnungszeiten können wir uns vorstellen. "


Wie in "alten Zeiten" eine Krume, saftig und großporig und außen braun und knusprig. Und diese Brote schmecken noch nach einigen Tagen wunderbar, sollten sie so lange halten. Zutaten Sauerteig, Mehl, Wasser und Salz. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Und mit viel Liebe zum Produkt sind sie gebacken, was man wirklich schmeckt. Man hat direkt vor Augen, wie der Brotflüsterer Sebastian Lück mit dem Sauerteig spricht und die richtige Zeit für die weitere Verarbeitung abpasst.

Das Mehl kauft Lück in der Zeddenbacher Mühle bei Freyburg. Dort mahlt man Getreide von Kleinbauern. Mit alter Technik wird kalt gemahlen. Die Internetseite der Mühle verrät: " Es werden Weizen- und Roggenmehle hergestellt. Das bedeutet, dass ausschließlich Getreide hoher Qualitäten entsprechend den Anforderungen verarbeitet werden, die durch die langsamen schonenden Mahlprozesse in der Enzymstruktur nicht beschädigt werden. Somit müssen keine Backhilfsstoffe dem Mehl zugesetzt werden..." Doch das genügt dem Bäcker schon nicht mehr. Er spricht von arbeiten mit dem Bauern, von der Beeinflussung des Ausgangsstoffes Mehl schon vom Anbau des Getreides an.



Der Name Brotklappe hat etwas mit Lückes Vorstellung vom dem Handwerk zu tun. Bäcker, deren Geschäft nur aus der Backstube besteht und der Kunde nach Klingelzeichen seinen Laib Brot aus einer kleinen Klappe entnehmen kann. Reduktion auf das Wesentliche. Das es das jetzt nicht  ganz so ist, finde ich schon gut. Ein ansprechender Laden ist aus der ehemaligen Fleischerei in der Trierer Straße 46 geworden, in dem auch ein paar Stühle und Bänke zum Genus von Kaffee und Kuchen einladen, während man darauf wartet, dass das Brot aus dem Ofen kommt. 



Die gute alte "Stulle" die man auch dort findet, ist mit hausgemachten Brotaufstrichen, vom Frischkäse bis zur Kräuterbutter, geschmiert.  Und zum Croissant, welches auch mit Sauerteiganteil hergestellt wird, kann ich nur Jedem raten ! 



Die drei Akteure der Brotklappe haben Visionen, dieses Konzept weiter zu entwickeln und damit die Produktion von gutem, handgemachtem Brot in die Zukunft  zu retten. Auf das wir nicht an geschmacklosen, zusatzstofflastigen Produkten der Großindustrie zu Grunde gehen und das wichtige Nahrungsmittel Brot das Gefährlichste wird. Ich drücke ihnen die Daumen und bin sehr davon überzeugt, dass  sich die Brotklappe etablieren, verändern und vergrößern wird.

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Es folgt, ein kleiner Geschichtsexkurs zum Thema Brot und eine Betrachtung der Entwicklung in den letzten Jahren:

Nördlich der Alpen wurde bereits vor 30000 Jahren Getreide gemahlen und mit Wasser vermischt als Brei gegessen. Später würde der Brei in heißer Asche oder auf heißen Steinen getrocknet. Das eigentlich backen von Brot war durch zwei Erfindungen bzw. Entdeckungen möglich. Zum einen konnte durch den Bau von Öfen ein runder Laib gebacken werden, da er von der Hitze komplett umschlossen war. Die Entdeckung folgte,  dass unverarbeiteter Teig durch in der Luft vorhandene Hefen säuerte und diese das Gebackene noch viel schmackhafter und lockerer werden liesen. Gesäuertes Brot wurde archäologischen Funden nach schon vor 5000 Jahren in Ägypten gebacken.

Leider hat das Brot in den letzten Jahren nicht nur positive Entwicklung erfahren. Und zu einem großen Teil ist daran das Kaufverhalten der Kunden schuld.
Tiefgefrorene Teiglinge werden in den Öfen der Supermärkte aufgebacken. Heute hat fast jeder Supermarkt über eine eigene Backstation. Auf der Strecke bleiben die traditionellen Bäckereien, die reihenweise dicht machen müssen, weil sie gegen die Kampfpreise der Supermärkte und Backshops nichts entgegenzusetzen haben.
Aber : Die Brote und Brötchen enthalten mitunter eine ganze Menge an Zusatzstoffen, Backmitteln, Enzymen, um das fertige Produkt besser aufgehen zu lassen und um es knuspriger, haltbarer, gebräunter und fluffiger zu machen.

Selbst bis zum Ladenschluss bekommt man in nahezu allen deutschen Supermärkten noch "frisches" Brot, schon lange hergestellte Brote, die nur nochmals aufgebacken werden.
Der Verbraucher hat den Schaden in Form von Zusatzstoffen. Rund 200 Stoffe sind im Backgewerbe zugelassen. Pro Teig dürfen sich davon bis zu 20 Substanzen darin wiederfinden. Mehl wird beispielsweise schon seit Jahren Ascorbinsäure zugesetzt und auch Enzyme kommen häufig in der Backstube zum Einsatz. In keiner anderen Industrie werden so viele Zusatzstoffe verwendet, die auch noch unzureichend deklariert werden.

Was brauchen Brot und Brötchen außer Mehl, Wasser, Hefe und Salz ? Ganz viel Zeit. Und die kostet bekanntlich Geld. Die Traditionsbäckereien können bei den industriell gefertigten Backwaren kaum mithalten. Der Überlebenskampf geht weiter. Ob sie sich halten können, entscheiden am Ende die Kunden.

Für alle die, die diesen Trend nicht mitmachen, ein anderes, gesundheitsbewusstes Kaufverhalten haben, gibt es aber eine positive Entwicklung. Es gibt wieder Menschen, die sich um das Brot sorgen und für gutes, reines Handwerk stehen. Da spricht man von ausgesuchtem Mehl, von liebevoll gezüchtetem Sauerteig und von Broten, die bis zu 20 Stunden reifen können. Und es gibt wieder Kunden, die mit Qualitäts-und Gesundheitsbewusstsein eine solche Produktion verkaufbar machen.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Das Magazin Stern hat in der Woche 42/2017 das Thema Brot zum Titelthema gemacht.
Alle im obigen Text gemachten Aussagen wurden von den Journalisten des Stern bestätigt.
Ich wohne leider nicht in Weimar, sondern am Hermsdorfer Kreuz. Bin also darauf ange-
wiesen, mir das außergewöhnlich leckere Brot von Kollegen, die in Thüringen unterwegs sind, mitbringen zu lassen.Großes Kompliment und Dankeschön an die Betreiber und Mitarbeiter der Brotklappe!