Thüringer Klöße - das Original

Ein Aufschrei des Entsetzens! Lese ich in einem nicht unbekannten Blog doch von Thüringer WICKELklößen. Nein, dass lasse ich nicht einfach so unkommentiert. Da werde ich zum Verfechter und Bewahrer unserer Traditionen. Thüringer Klöße sind, so wie die Thüringer Bratwurst, sozusagen unser Muttermilchersatz gewesen. Damit sind wir groß und stark und wohlgenährt geworden. 

Die Thüringer Klöße  hatten Sonntagskult. Nix anderes, immer mal mit einem anderen Stück vom Tier, gab es an dem schönsten aller Wochentage. Favorisierte Beilage meines Vaters "....mach mal ein Stück Rind und ein Stück Schwein, das gibt so ne schöne Soße...."
Am Samstag Abend, noch während der großen Unterhaltungssendung von  Kuhlenkampf, durfte mein Papa in den Keller wandern und einen 10 Liter (!) Eimer voll von möglichst großen Kartoffeln holen. Dieser wurde vor dem Sessel meiner Mutter platziert, daneben ein Eimer halb voll Wasser und eine Schüssel auf den Knien und so ging schon mal das schälen los.
Waren die Kartoffeln geschält, gab es als schöne Tradition vorab ein Stück vom Sonntagskuchen der am Nachmittag entstanden war. Dann alle in die Federn und der Eimer voll geschälter Kartoffeln wartetet auf den Sonntag Morgen.
Der nächste Akteur im großen Reigen war mein Vater. Nach dem Frühstück wurde das  Reibeisen hervor geholt und in eine große Schüssel hinein gerieben. Nicht zu grob, nicht zu fein. Die Schüssel füllte sich mit einem feuchten Brei, der schnell dunkel zu werden begann. Jetzt kam die Masse in den Kartoffelsack, so ein gestricktes Ding. Damit zwischen die beiden Holzscheiben der Kartoffelpresse und das Rad wurde gedreht. Kartoffelschab und Flüssigkeit trennten sich. Im Sack blieb die rohe, jetzt trockene Kartoffelmasse und in der großen Schüssel sammelte sich die Flüssigkeit. Ab und an wurde nachgedreht. Nach etwa einer Stunde war das genug und von der Flüssigkeit setze sich die Kartoffelstärke ab. Dann wurde sie abgegossen und diente dem ausbürsten des schwarzen Anzugs oder des Kostüms.. Die Kartoffelstärke wurde zur Hälfte über die Kartoffelmasse gekrümelt und der Rest getrocknet.


Beim reiben der Kartoffeln waren immer kleine Stücke übrig geblieben und diese wurden in einem Topf mit wenig Salzwasser weich gekocht und dann zu Brei gerührt.  Die Kartoffelmasse in einer Schüssel gesalzen und mit dem enstandenen dünnen Kartoffelbrei überbrüht. Schnell und gut vermengt. Die Masse musste sich von den Wänden der Schüssel lösen, dann hatte sie die richtige Konsistenz. 
In einigen Fällen wurde die Masse vor dem überbrühen auch geschwefelt, damit die Klöße schön weiß wurden. Bei uns zu Hause nicht. Die Klöße waren so ein bisschen grau bis grün und daher kommt auch der Name `grüne Klöße` für die Thüringer.
Inzwischen kam ein wichtiger Teil der Aktion. Vorhandenes Brot (kein Weißbrot!) wurde in Würfel geschnitten und in Butter knusprig gebraten. Beim formen der Klöße mit der feuchten Hand kamen 5-6 der kleinen Würfel in die Mitte. Die Klöße wurden in kochendes Salzwasser gelegt und die Hitze sofort reduziert. Nach kurzer Zeit kamen sie nach oben und mussten insgesamt etwa 30 Minuten auf ganz kleiner Flamme ziehen, nicht kochen.

Also, das war schon eine echte Plaggerei und die so im Schweiße des Angesichts verdienten schmeckten immer. Das mit dem Fleisch dazu nicht immer mein Fall (siehe oben), aber das wichtigste war eine Unmenge Soße, die man damit aufnehmen konnte. Und die buttrigen Brotwürfel in der Mitte waren ein Höhepunkt.
Ja, also Kindheitserinnerungen........
Und damit verbunden das Originalrezept für Thüringer Klöße. Gerührt und nicht geschüttelt und gar nicht gewickelt, sondern mit den Händen geformt. Dann mal nachmachen, es lohnt sich. Kartoffelpressen gibt`s heute nur noch in wenigen Thüringer Haushalten. Wenn ich mal so Lust auf handmade Klöße habe, nehme ich statt der Reibe den Entsafter und habe Kartoffeln von der Flüssigkeit auch gleich getrennt. Geht auch.
Aber auf eins verzichte ich nie - die Würfel in der Mitte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es die "echten" sind ;)
Beliebt auch das Verwerten der übrig geblieben Klöße vom Sonntag. In Scheiben geschnitten, in Butter braun gebraten. Das mochte ich am liebsten mit Zucker bestreut und am zweitliebsten mit Sauerkaut.


P.S.In Großbreitenbach gibt es sogar ein Kloßpressenmuseum und in unserer Nähe ein Kloßmuseum.
......und WICKELklöße gibt es in Thüringen natürlich auch ;) aber das ist eine andere Baustelle. Die sind nämlich aus Nudelteig mit Semmelbrösel und dazu gab es Petersiliensoße. Ich glaub das zeige ich demnächst auch mal.



Kommentare

Cora hat gesagt…
Ein toller und vor allem sehr patriotischer Beitrag!
Ich muss gestehen, dass ich, wenn wir als Kinder in den Ferien mal Thüringen besuchten, diesen Klößen nicht so richtig was abgewinnen konnte.
Aber mir waren sie ja schließlich auch kein "MuttermilchErsatz"... :-)
Danke Pe! :-)
thomas schäfer hat gesagt…
Wunderbarer Beitrag! Vielen Dank !...und genauso wurden die Klösse von meiner Oma zubereitet...nicht jeden Sonntag, aber immer wenn es Sauerbraten gab.Gehört noch keute zu meinen absoluten Lieblingsspeisen...Klos mit Soß :) ...meine Oma stammte übrigens aus Thüringen :)
Obers trifft Sahne hat gesagt…
Über diese Art von Beilage sind die Meinungen eben geteilt ;)....wenn jedem alles schmecken würde, wie langweilig ;)
Anna Purna hat gesagt…
Interessantes Rezept. Das die Brotwürfeln in der Mitte nicht aus Weißbrot sind, habe ich nicht gewußt. Nach soviel Arbeitseinsatz muss es ja schmecken. Ich werde sie auf jedenfall einmal ausprobieren.
Schnick Schnack Schnuck hat gesagt…
Ganz schön familiär, hab ich gern gelesen. Bei meiner Oma gehörten diese Klöße auch wie selbstverständlich zum guten Sonntagsbraten und mir war nie klar, dass da so ein Prozess vorsteht.
Obers trifft Sahne hat gesagt…
@Thomas: Das ist doch wunderbar, wenn Erinnerungen mit einem guten Essen verbunden sind :)
@Anna: Dann gutes Gelingen. Weißbrot war früher selten in der Brotbüchse, deshalb ;)
@Schnick.Schnack.Schnuck: Ja, Die gute Milch kommt ja auch nicht aus der Flasche ;)
Brigitte hat gesagt…
durfte sie mal in einem lokal verkosten als wir pe besuchten - unterscheiden sich natürlich von den "knödel" die ich als wienerin kenne - aber sie haben mir auch gemundet!
Obers trifft Sahne hat gesagt…
ach ja, Brigitte. Ich erinnere mich auch. Es wird Zeit mal wieder was zu planen ;)